Mark Zuckerberg: "Alles nur Blablabla"


Artikel verfasst von

Maike

https://wunderwelt.red/




Vielleicht hatte es einen einfachen Grund, weshalb Facebook-Chef Mark Zuckerberg letztlich doch einwilligte, das Treffen mit den Fraktionsspitzen des Europäischen Parlaments öffentlich zu machen. Anstatt jedem Abgeordneten Frage und Antwort zu stehen wie vor dem US-Kongress, formulierten die europäischen Vertreter und Vertreterinnen am Dienstagabend in Brüssel alle ihre Fragen nacheinander. Erst am Ende, als planmäßig nur noch 15 Minuten übrig waren, gab Zuckerberg einige ausgewählte Antworten. Dieses Format habe der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, Facebook zugesichert, twitterte der Grünen-Sprecher Sven Giegold. Und natürlich half es Zuckerberg, unbequemen Fragen einfach auszuweichen.

Das Ergebnis war eine bemerkenswerte, ja bizarre Veranstaltung. Ein Dutzend Abgeordnete aller Fraktionen hatten jeweils etwa fünf Minuten Zeit, ihre Fragen zu stellen. Zuckerberg schrieb fleißig mit, fragte sogar einmal höflich nach, und beantwortet am Ende in 30 Minuten – fast nichts. Zumindest nichts, was er nicht schon vorher fast wortgetreu gesagt hätte. Nachfragen? Keine Chance. Stattdessen beendete Zuckerberg das Treffen praktisch selbst mit einer aus dem US-Kongress nur allzu bekannten Phrase: "Wir liefern den Rest schriftlich nach."

Das Europarlament hat sich mit dem ungewöhnlichen Format einen Bärendienst erwiesen. Wochenlang hatten sich die Vertreter darum bemüht, Zuckerberg nach Europa einzuladen. Er sollte noch einmal vor den europäischen Politikern erklären, wie der Datenskandal um Cambridge Analytica zustande kam, welche Änderungen Facebook im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung trifft, die am Freitag in Kraft tritt, und wie es eigentlich seine eigene Verantwortung sieht. "Wir brauchen neue Regeln für soziale Netzwerke", sagte Tajani in seinem Eingangsstatement.

Muss Facebook zerschlagen werden?

Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Abgeordneten, die in langwierigen zehn Stunden Anhörung vor allem ihr eigenes Unwissen preisgaben, waren die europäischen Abgeordneten besser vorbereitet. Bis auf einige schiefe literarische Vergleiche und die Behauptung des EU-Skeptikers Nigel Farage, Facebooks Algorithmus unterdrücke konservative Stimmen, bezogen sich viele Fragen auf wichtige Aspekte.

Guy Verhofstadt von der liberalen Fraktion ALDE etwa ging auf das Thema Regulierung ein. Zuckerberg habe sich in den vergangenen Jahren schon bestimmt 15-mal öffentlich entschuldigt. Man müsse sich deshalb fragen, ob er überhaupt noch die Kontrolle über sein Unternehmen habe und ob die von ihm häufig genannte Selbstregulierung funktioniere. "Auch die Banken haben in der Finanzkrise gesagt, sie würden sich selbst regulieren, was sie aber nicht getan haben", sagte Verhofstadt. Er wollte außerdem wissen, ob Facebook mit den europäischen Wettbewerbsrichtern kooperieren würde – und ob es eine Option sei, etwa Facebook und den Messenger oder Instagram aufzuteilen, sprich Facebook zu zerschlagen.





Das ist nicht so weit hergeholt wie es klingt. Anders als in den USA hat die EU ein weitaus strengeres Wettbewerbsrecht, was in den vergangenen Jahren vor allem amerikanische Technikunternehmen zu spüren bekamen. Nach hohen Strafen für Google und Microsoft musste im vergangenen Jahr auch Facebook 110 Millionen Euro zahlen weil sich die EU von der Übernahme des Messengers WhatsApp getäuscht sah. Die amtierende EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gilt als harte Kritikern der Technikkonzerne und eine Regulierung in Europa könnte Facebook empfindlich treffen.

Zuckerberg wich den konkreten Fragen aus: "Ich glaube, die Frage ist nicht, ob man regulieren sollte oder nicht. Sondern, wie man es richtig macht". Er sehe auch weiterhin Facebook nicht als Monopol, denn gefühlt jeden Tag entstünden neue Konkurrenten mit Millionen Nutzern. Facebook müssen sich deshalb immer weiter entwickeln.

Der Brite Syed Kamall wollte mehr über sogenannte Schattenprofile erfahren: Jene Datensammlungen von Menschen, die gar kein Facebook-Konto haben, aber etwa über Werbetracker und Cookies trotzdem von Facebook erfasst werden. "Ist der einzige Weg, Facebook zu entkommen, das Internet komplett zu vermeiden", fragte der Abgeordnete.

Schon vor dem US-Kongress versuchte Zuckerberg, dieses Thema möglichst zu vermeiden. Man müssen Daten auch von Nicht-Nutzern aufzeichnen, "um die Sicherheit der Facebook-Nutzer zu garantieren", sagte er nun in Brüssel denkbar knapp auf Nachfrage des Grünen-Datenschutzexperten Jan Philipp Albrecht und wirkte dabei für einen Moment auffällig nervös. Man hätte sich gewünscht, die Abgeordneten hätten noch die Chance für Nachfragen gehabt. Denn Schattenprofile sind auch vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein brisantes Thema: Wie soll Facebook die Einstimmung zur Datenverarbeitung von Nutzern einholen, die gar nicht auf seiner eigenen Seite unterwegs sind?

DSGVO, alles kein Problem

Die DSGVO war ein dritter großer Themenkomplex. Der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullman wollte wissen, ob Facebook die neuen Regularien umsetze. "Facebook wird ab dem 25. Mai DSGVO-konform sein", sagte Zuckerberg. Schon in den vergangenen Monaten hätte das Netzwerk entsprechende Änderungen getroffen.

Weitaus interessantere Fragen, etwa ob Facebook gemäß der DSGVO seinen Nutzern bei Datenmissbrauch Schadensersatz zahle, blieben dagegen unbeantwortet. Auch Albrechts Frage, ob Zuckerberg garantiere könne, die Daten von Facebook und WhatsApp nicht zusammenzuführen, umging der Firmenchef. Dabei dürfte die geplante Einführung von Werbung in WhatsApp noch zu großen Diskussionen führen und möglicherweise neben Datenschützern auch Wettbewerbshüter alarmieren.

Die Fragen sagten mehr als die Antworten

Auf alle weiteren Fragen, etwa zur Bekämpfung von Bots und Hasskommentaren, griff Zuckerberg auf seine vorgestanzten Antworten zurück. Man nutze neue Technologien wie künstliche Intelligenz, stelle mehr Personal ein und nehme die Gefahr von Wahlmanipulationen sehr ernst. Was Cambridge Analytica angehe, so habe man inzwischen stärkere Kontrollen für den Datenzugriff durch Dritte eingeführt. Es sei aber denkbar, dass noch andere Apps in der Vergangenheit übermäßigen Datenzugriff hatten. Das müssten weitere Untersuchungen klären.

Immerhin bleibt die Erkenntnis, dass Facebook in der europäischen Union ein stärkerer Wind entgegen bläst als in den USA. Die Fragen der Abgeordneten waren allerdings aussagekräftiger als Zuckerbergs Antworten. Schließlich enthielten sie Hinweise darauf, was in den kommenden Monaten und Jahren noch auf das soziale Netzwerk zukommen könnte. 

Umso unverständlicher ist die Entscheidung des Parlamentspräsidiums, Zuckerberg selbst auswählen zu lassen, welche Fragen er beantwortet und welche er ignoriert. Selbst die Fraktionsspitzen konnten das nicht nachvollziehen und reagierten zum Abschluss ungehalten: "Ich habe ihnen sechs Ja-oder Nein-Fragen gestellt und nicht eine Antwort erhalten!", klagte der Grüne Philippe Lamberts. "Alles nur Blablabla" konnte man seinen Kollegen Guy Verhofstadt noch sagen hören, bevor der Livestream endete. Es war eine treffende Zusammenfassung.